Aufmerksam studiert Alfredo Ponta eine Übersichtskarte an der Wand des Baucontainers. Wie mit einem Gitternetz wurde das darauf abgebildete Gelände systematisch in jeweils 25 Quadratmeter große Felder eingeteilt. Knapp die Hälfte davon hat er schon ausgekreuzt. Ponta ist Räumstellenleiter bei der Stascheit Kampfmittelräumung GmbH, einer der Firmen, die mit der Bergung der Kampfmittel auf dem ehemaligen Militärgelände beauftragt wurden. Die ausgekreuzten Felder auf der Karte markieren Flächen, die Pontas neunköpfiges Team seit Mai erfolgreich von Munition befreit hat. Zirka 1,6 Hektar gilt es in diesem Abschnitt noch zu räumen.
„Es geht oft langsam voran, denn das Gelände ist teilweise sehr stark belastet“, erklärt Ponta und zeigt dabei auf eine dichte Ansammlung tiefroter Flecken auf einer Karte. Letztere ist das Ergebnis der sogenannten magnetischen Kartierung der Heidefläche. Uli Schmidt, Geograph und Feuerwerker bei der Firma Stascheit, durchleuchtete dazu das befahrbare Gelände mithilfe einer computergestützten Mehrkanalsonde geomagnetisch. Auf der Karte werden Anomalien, also Störungen des Erdmagnetfelds infolge ferromagnetischer Gegenstände, als zweifarbige Dipole dargestellt und geben so Hinweis auf die Verteilung und Lage der Störkörper im Boden. Zudem zog Schmidt historische Luftbilder zurate, um die Nutzung des Geländes zu rekonstruieren. Auf dem ehemaligen Militärgelände befinden sich direkt unter der Grasnarbe Reste diverser baulicher Anlagen mit Stahlarmierungen. „Sie verursachen die starken, teils flächigen Anomalien“, so Ponta. „Die Reste der Infrastruktur müssen wir zwingend entfernen, denn darunter könnten sich tieferliegende Störkörper verbergen.“
Dabei setzt die Firma Stascheit auf einen mit Abbruchhammer und Panzerglasscheibe ausgerüsteten Kettenbagger CAT 313F L GC von Zeppelin Rental. Mit einem Einsatzgewicht von 14 Tonnen ist er bestens für das Aufbrechen der Betonreste gerüstet und dennoch kompakt genug, um in der von Bäumen und Sträuchern bewachsenen Heide zu manövrieren. Zirka 120 bis 150 Kubikmeter armierten Beton haben die Kampfmittelräumer damit bis jetzt aus dem Boden geholt.
Die jahrelange militärische Nutzung der Heideflächen ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits ist aufgrund der Kampfmittelbelastung das Betreten der Heide abseits des freigegebenen Grundwegenetzes größtenteils noch verboten. Andererseits hat die militärische Nutzung den Erhalt des mageren Bodens begünstigt, da im Laufe der Jahre wenig Nährstoff eingetragen wurde. Der magere Halbtrockenrasen im Münchner Norden ist einer der artenreichsten Lebensräume und bietet 352 verschiedenen Pflanzenarten sowie gefährdeten Tierarten ein Zuhause.
In der Idylle der Heide piepst erneut der Eisendetektor. Um den artenreichen Lebensraum bei der Entmunitionierung so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, gehen die Kampfmittelräumer behutsam vor und sondieren streifenweise jedes Feld des Gitterrasters. Tritt ein Signal auf, wird die Stelle sofort mit einem Fähnchen markiert. „Sind es nur wenige, untersuchen wir die Einzelbefunde vorsichtig mit Spaten und Hacke, um den Boden zu schonen“, erklärt Ponta. Nur wenn sich die Befunde in einem Feld summieren, wird die Grasnarbe mit einem Minibagger mit Verstellausleger aus dem Mietpark von Zeppelin Rental maschinell abgetragen und untersucht. Zum Schutz des Maschinenführers ließ die Firma Stascheit auch den CAT 308E CR von der nahegelegenen Mietstation Lochhausen mit einer Panzerglasscheibe ausstatten. Das kurze Heck und der Verstellausleger ermöglichen produktives Arbeiten auf engstem Raum.
Neben einer großen Menge an Metallschrott und Patronenhülsen haben die Kampfmittelräumer bisher eine 21 Zentimeter lange Granate aus dem Boden geholt. Im Nebenabschnitt wurde eine Bombe gefunden. „Ein Kampfmittelfund bestätigt die Sinnhaftigkeit unserer Arbeit. Wird die Fläche nicht geräumt, bleibt ein unwägbares Risiko“, erläutert Alfredo Ponta seine persönliche Motivation.
Auch nach der Räumung des drei Hektar großen Abschnitts durch die Firma Stascheit ist noch einiges zu tun. Bis das ehemalige Militärgelände und jetzige Naturschutzgebiet vollständig für die Erholung und Umweltbildung freigegeben werden kann, gilt es zirka 300 weitere Hektar Heidefläche zu entmunitionieren.